Die jesidischen Menschenrechtsaktivistinnen Nadia Murad und Lamiya Aji Bashar werden gestern (13.12.) während einer feierlichen Sitzung den Sacharow-Preis erhalten. Murad und Aji Bashar wurden vom „Islamischen Staat“ als Sexsklavinnen missbraucht, doch konnten sie aus der Gefangenschaft entkommen. Sie sind das Sprachrohr der Frauen, die Opfer der sexuellen Versklavung durch den IS geworden sind, und setzen sich für die Rechte der Gemeinschaft der Jesiden ein. Verfolgen Sie die Preisverleihung live
Nadia Murad Basee Taha und Lamiya Aji Bashar stammen aus dem Dorf Kotscho im irakischen Bezirk Sindschar. Am 3. August 2014 hatte die Terrormiliz IS alle männlichen Bewohner des Dorfes massakriert. Anschließend wurden die Frauen und Kinder des Ortes versklavt. Sämtliche jungen Frauen, darunter auch Aji Bashar, Murad und deren Schwestern, wurden verschleppt, wiederholt verkauft und als Sexsklavinnen ausgebeutet und missbraucht.
Nadia Murad gelang im November 2014 die Flucht. Lamiya Aji Bashar konnte im April 2016 ihren Peinigern entkommen.
Die heute 23-jährige Nadia Murad und die 19-jährige Lamiya Aji Bashar leben nun beide in Deutschland. Sie setzen sich für die Rechte der Gemeinschaft der Jesiden im Irak ein, einer religiösen Minderheit, die ins Visier des sogenannten „Islamischen Staates“ geraten ist, welcher danach trachtet, alle Jesiden zu töten und somit Völkermord an ihnen zu begehen. Gleichzeitig machen sie auf das Schicksal der Frauen aufmerksam, die Opfer des systematischen Einsatzes von sexueller Gewalt durch den IS geworden sind.
„Tausende Flüchtlinge haben denselben Leidensweg wie ich und meine Familie. Wir sind überall verstreut. Ich weiß auch, dass der „Islamische Staat“ noch immer hinter uns her ist, um uns zu ermorden. Daran denke ich und das gibt mir die Kraft, all die Kraft um weiterzumachen“, sagt Nadia Murad.
„Ich möchte meine Geschichte wirklich gern erzählen. Nicht nur für mich selbst, sondern damit andere, andere Frauen, nicht so behandelt werden, damit wir Jesidinnen niemals wieder so etwas erleben müssen“, erklärt Lamiya Aji Bashar.
Nach der Preisverleihung geben EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, Nadia Murad und Lamiya Aji Bashar eine gemeinsame Pressekonferenz. Die Preisträgerinnen werden zudem am Montagabend (12.12.) um 19 Uhr die Mitglieder des Außenausschusses, des Entwicklungsausschusses und des Unterausschusses für Menschenrechte treffen.
Der türkische Journalist Can Dündar und der langjährige Anführer der Krimtataren Mustafa Dschemilew, die ebenfalls für den Sacharow-Preis 2016 nominiert waren, werden auch an der feierlichen Sitzung im Parlament teilnehmen.
Mehr zum Sacharow-Preis
Das Europäische Parlament vergibt seit 1988 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit. Mit dem Preis werden jedes Jahr Menschen oder Organisationen ausgezeichnet, die sich für Menschenrechte und Grundfreiheiten einsetzen. Der Menschenrechtspreis ist mit einem Preisgeld von 50 000 Euro dotiert.
Im vergangenen Jahr ist Raif Badawi mit dem Preis ausgezeichnet worden. Der in Saudi-Arabien inhaftierte Blogger konnte seinen Preis nicht persönlich entgegennehmen. Er war 2012 wegen angeblicher „Beleidigung des Islam“ auf seiner Webseite, die die gesellschaftliche, politische und religiöse Debatte förderte, zu 10 Jahren Haft verurteilt worden.