Nach Angaben der EU-Grenzschutzbehörde Frontex sind in der vergangenen Woche rund 13 800 Flüchtlinge im zentralen Mittelmeer gerettet worden. Die EU arbeitet an verschiedenen Maßnahmen, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen und Menschen in Not rasch Schutz zu gewähren. Am Montag (30.5.) hat der Innenausschuss unter anderem Vorschläge zur Verbesserung des Managements der EU-Außengrenzen gebilligt.
Europäischer Grenz- und Küstenschutz
Die anhaltenden Migrationsströme nach Europa machen eine Verbesserung der Sicherung der EU-Außengrenzen erforderlich. Nur so kann ein wirksameres Migrationsmanagement umgesetzt und der Schutz des Schengen-Raums gewährleistet werden. Auf Ansuchen der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten hat die Kommission die Einrichtung eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes vorgeschlagen. Dieser soll ein „starkes und gemeinsames“ Management der Außengrenzen der Europäischen Union sicherstellen.
Der europäische Grenz- und Küstenschutz soll sich aus einer neuen europäischen Agentur, die aus der EU-Grenzschutzbehörde Frontex hervorgeht und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Die nationalen Behörden sollen weiterhin für das laufende Management der EU-Außengrenzen verantwortlich sein.
Aufgaben und Zuständigkeiten des europäischen Grenz- und Küstenschutzes
Der Grenz- und Küstenschutz soll über das Recht verfügen, „tätig zu werden“. Darunter ist zu verstehen, dass die Agentur vor Ort europäische Grenzschutz- und Küstenwache-Teams einsetzen kann, wenn ein Mitgliedstaat nicht in der Lage oder dazu bereit ist, die notwendigen Maßnahmen zu setzen.
Außerdem soll der europäische Grenz- und Küstenschutz über eine „Überwachungs- und Aufsichtsfunktion“ verfügen, um die Migrationsströme in die EU und innerhalb der EU zu überwachen.
Gleichzeitig soll eine europäische Rückführungsstelle eingerichtet werden, die die effektive Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger gewährleisten soll. Die Ausstellung eines standardisierten europäischen Reisedokuments soll das Verfahren der Rückführung erleichtern.
Schließlich soll der europäische Grenz- und Küstenschutz der inneren Sicherheit dienen. Zum Zwecke der Terrorismusprävention soll mit anderen EU-Agenturen und internationalen Organisationen zusammengearbeitet werden.
Am 30. Mai 2016 hat der Innenausschuss den Plänen zur Einrichtung eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes zugestimmt. Der Berichterstatter des Parlaments, der lettische EU-Abgeordnete Artis Pabriks (EVP) betonte: „Die EU benötigt ein sichereres und besseres Management ihrer Außengrenzen. Deshalb sollte der europäische Grenz- und Küstenschutz so rasch wie möglich eingerichtet werden. Er ist jedoch kein Allheilmittel zur Bewältigung der Migrationskrise, der die EU gegenübersteht, noch kann er den Schengen-Raum wiederherstellen. Aber es ist ein erster Schritt.“
Die EU-Abgeordneten traten dafür ein, dass die EU-Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit über ein mögliches Eingreifen der Agentur an den EU-Außengrenzen entscheiden. Im ursprünglichen Vorschlag der Kommission war vorgesehen, dass die Kommission darüber entscheiden soll, ob die Lage in einem bestimmten Abschnitt der Außengrenzen Sofortmaßnahmen auf europäischer Ebene erfordert.
Nach der Abstimmung im Ausschuss haben am 31. Mai die interinstitutionellen Verhandlungen zwischen Parlament und Ministerrat begonnen, um eine Einigung über die vorgeschlagenen Maßnahmen zu erzielen.
Verbesserung der Verfahren zur Rückführung
Zusätzlich zur Verbesserung des Managements der EU-Außengrenzen bedarf es weiterer Maßnahmen zur Bewältigung der Migration. Dazu zählt ein korrektes und effektives System zur Rückführung der Personen, die keinen Asylstatus erhalten.
Derzeit sind die Verfahren zur Rückführung „irregulärer“ Migranten langwierig und nur wenig effizient. Das Fehlen gültiger Reisedokumente, die vom Bestimmungsland der zur Rückkehr verpflichteten Person ausgestellt wurden, ist eines der größten Hindernisse für eine erfolgreiche Rückführung. Die Mitgliedstaaten können für illegal aufhältige Drittstaatsangehörige Ersatzdokumente ausstellen. Oftmals werden diese Dokumente aufgrund fehlender gemeinsamer Standards und unzureichender Sicherheitsmerkmale von Drittstaaten jedoch nicht akzeptiert. Das Ergebnis sind zeitaufwendige und komplizierte Verfahren mit den Behörden von Drittstaaten. Die betroffenen Personen können bis zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung in Verwaltungshaft genommen werden.
Die Einführung eines europäischen Reisedokuments soll die Rückführung und Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen, gegen die eine zur Rückkehr verpflichtende Entscheidung ergangen ist, erleichtern und beschleunigen. Das Dokument soll ein einheitliches Format und verbesserte Sicherheitsmerkmale aufweisen sowie persönliche Angaben über den Drittstaatsangehörigen beinhalten.
Der Berichterstatter des Parlaments, der finnische EU-Abgeordnete Jussi Halla-aho (EKR) bezeichnet die Maßnahme als „kleinen Teil eines Puzzles“, aber „einen Schritt in die richtige Richtung“.
Am 30. Mai hat der Innenausschuss die Pläne zur Einführung eines europäischen Reisedokuments gebilligt.
Sichere Herkunftsstaaten
Die Europäische Migrationsagenda beinhaltet den Vorschlag der Erstellung einer gemeinsamen europäischen Liste sicherer Herkunftsstaaten. Mithilfe dieser Liste soll die Bearbeitung der Asylanträge von Staatsangehörigen aus EU-weit als „sicher“ geltenden Staaten beschleunigt werden. Derzeit werden diese Listen auf nationaler Ebene festgelegt und nicht untereinander abgestimmt.
Das EU-Parlament begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission, weist jedoch darauf hin, dass Menschen, die Schutz benötigen, nur über sehr eingeschränkte Möglichkeiten verfügen, um legal in die EU einzureisen. In ihrem Streben nach Sicherheit müssten sie sich kriminellen Schlepperbanden ausliefern und auf gefährliche Routen ausweichen.
Das Parlament insistiert, sichere und legale Wege für Flüchtlinge zu schaffen, wie humanitäre Korridore und Visa aus humanitären Gründen. Gleichzeitig unterstützt das Parlament ein obligatorisches Neuansiedlungsprogramm sowie die Stärkung des Prinzips der Familienzusammenführung.
Besserer Austausch von Strafregisterauszügen von Nicht-EU-Bürgern
In der aktuellen Situation ist es wichtig, zwischen Wirtschaftsmigranten und Flüchtlingen zu unterscheiden. Gleichzeitig muss versucht werden, potenzielle Terroristen zu identifizieren, die möglicherweise die Migrationskrise dazu nutzen könnten, unerkannt nach Europa zu gelangen. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass Angaben zu Personen, die in die EU einreisen, erfasst und auf EU-Ebene miteinander geteilt werden.
Die jüngsten Terroranschläge in Europa haben verdeutlicht, wie wichtig es ist, Informationen auszutauschen, insbesondere in Hinblick auf frühere strafrechtliche Verurteilungen.
Der Berichterstatter des Parlaments, der britische EU-Abgeordnete Timothy Kirkhope (EKR) sagt: „Wir müssen das Vertrauen der Öffentlichkeit darin wiederherstellen, dass wir in der Lage sind, zu überwachen, wer in die EU einreist.“
Die EU verfügt seit 2012 über ein Europäisches Strafregisterinformationssystem (ECRIS), ein elektronisches System, das den Austausch von Strafregisterauszügen zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht. Derzeit werden Vorstrafen von Nicht-EU-Bürgern nicht zentral erfasst. Ob ein Nicht-EU-Bürger bereits in einem anderen Mitgliedstaat verurteilt wurde, lässt sich derzeit nur über ein Auskunftsersuchen an alle anderen Mitgliedstaaten feststellen.
ECRIS soll nun erweitert werden, damit Mitgliedstaaten schnell und einfach herausfinden können, in welchem Mitgliedstaat ein Nicht-EU-Bürger bereits vorbestraft ist.
Die Abgeordneten sprechen sich dafür aus, dass die EU-Polizeibehörde Europol und die EU-Grenzschutzbehörde Frontex auf Anfrage und von Fall zu Fall auf die Datenbank zugreifen können.
Der Innenausschuss hat den Vorschlag zur Erweiterung von ECRIS am 30. Mai angenommen.
Ausblick auf die kommende Plenarsitzung im Juni
Am Dienstag (7.6.) debattieren die EU-Abgeordneten ab circa 15 Uhr mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und dem ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans über einen neuen Plan zur Bekämpfung der Ursachen der Migration („Migrationspakt“). Der „Migrationspakt“ zielt darauf ab, mit EU-Mitteln private Investitionen in den Herkunftsländern der Migranten zu fördern, insbesondere in Afrika. Des Weiteren steht eine Debatte über die Migration innerhalb der EU und einen Aktionsplan für die Integration von Migranten auf der Tagesordnung.