Die Terrormiliz IS beherrscht weite Gebiete in Irak und Syrien. Christen, Jesiden und andere religiöse Minderheiten werden in ihrer Existenz bedroht und versuchen, der Terrorherrschaft des IS zu entkommen. Zahlreiche fliehen vor Gewalt und Unterdrückung. Fälle von Massentötungen werden gemeldet. Am Montag (30.5.) veranstaltete der Unterausschuss für Menschenrechte eine Anhörung, in der Vertreter der Minderheiten die Lage in Irak und Syrien schilderten. Lesen Sie hier, was sie zu berichten haben.
Sam Andrews, Arabische Akademie für Menschenrechte
„Jeder, der nicht dem fundamentalistischen Islam des IS folgt, wird gezwungen, zu konvertieren oder hingerichtet. Die sehr kleinen Minderheitengruppen in Irak werden im Spannungsfeld zwischen den Regierungskräften und dem IS aufgerieben. Die Regierung strebt nach einem Irak, der Sunniten, Schiiten und Kurden vereint. Dabei wird auf die schwindenden Minderheiten vergessen, deren Grundrechte schrittweise abgebaut werden.
Wir müssen sicherstellen, dass Binnenvertriebenen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um zu überleben. Die historische Verfolgung von Minderheiten hat dazu geführt, dass manche Menschen über keinen Ausweis verfügen und die Regierung nicht um Hilfe bitten können. Wir müssen dafür sorgen, dass denen, die üblicherweise ausgegrenzt werden, Unterstützung zukommt. Langfristig gesehen muss die Zivilgesellschaft in Irak gestärkt werden.“
Archimandrit Emanuel Youkhana, Erzdiakon der assyrischen Kirche
„Die Existenz einer 2 000 Jahre alten indigenen Gemeinschaft, die älter als der Islam ist, ist in ernster Gefahr. 2003 gab es in Irak über eine Million Christen. Derzeit belaufen sich die optimistischsten Schätzungen auf 250 000 Personen. Der Reichtum des Nahen Ostens liegt in seiner Vielfalt; doch ein irakisches Kind lernt von der Grundschule bis zum Universitätsstudium nichts über nicht-muslimische Minderheiten wie Juden, Mandäer, Jesiden und Christen. Daesh entwurzelt uns, aber wir wurden bereits aus dem nationalen Bewusstsein entfernt.
Sie haben es auf jeden abgesehen, der ihre Ideologie nicht mit ihnen teilt. Jesiden und Christen sind jedoch die Hauptziele. Menschen werden aus ihren Häusern verschleppt, Frauen und Mädchen als Sklavinnen missbraucht, Kirchen zerbombt und geplündert. 120 000 Christen wurden aus ihren Städten und Dörfern in der Ninive-Ebene und aus Mossul vertrieben. Zum ersten Mal in 2 000 Jahren gibt es keinen Weihnachtsgottesdienst in der biblischen Stadt Ninive. Ich bedanke mich beim Europäischen Parlament für diesen Meinungsaustausch, doch die Minderheiten in Irak sind es müde, Solidaritätsbekundungen zu hören. Wir brauchen sofortige Maßnahmen.“
Sundus Abbas, von der Irakischen Turkmenenfront
„Als drittgrößte Volksgruppe in Irak sind die irakischen Turkmenen seit 2003 Bombenanschlägen ausgesetzt. Sie werden ermordet oder verschleppt. Zugleich wurde unser Land von den Kurden beschlagnahmt. Eine Entschließung des EU-Parlaments von 2013 fordert die irakischen und kurdischen Behörden dazu auf, für den Schutz der irakischen Turkmenen zu sorgen. Leider haben uns beide Parteien im Stich gelassen. Wir sind dem IS ausgeliefert. Die irakischen und kurdischen Truppen haben sich aus Tal Afar zurückgezogen – einer Stadt, in der 90 Prozent der Bevölkerung Turkmenen waren – und die Bevölkerung dem IS ausgeliefert. 350 000 Menschen mussten fliehen. Über 500 Frauen und 150 Kinder wurden verschleppt. Das Gleiche hat sich in anderen turkmenischen Gebieten im Irak zugetragen. In Taza südlich von Kirkuk verübte der IS erst vor Kurzem einen Giftgasangriff.
Wir rufen die europäischen Staaten dazu auf, zu verstehen, dass der Irak eine Art Mosaik ist. Es gibt nicht nur Schiiten, Sunniten und Kurden. Wenn die irakischen und kurdischen Behörden nicht für Schutz sorgen können, dann haben die irakischen Turkmenen das Recht, ihre eigenen Streitkräfte zu bilden, um sich selbst zu schützen. Wir verurteilen die Grausamkeiten des IS gegen die Jesiden und Christen, doch auch die Turkmenen brauchen Unterstützung.“
Nadia Murad Basee Taha, Aktivistin für die Rechte der Jesiden und Pater Ziad Hilal, ehemaliger Verantwortlicher für den Jesuitischen Flüchtlingsdienst in Homs, nahmen ebenfalls an der Anhörung teil. Den Vorsitz der Veranstaltung führte die Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte Elena Valenciano (S&D) aus Spanien.