EU-Bürger können in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnen, arbeiten oder ein Unternehmen gründen. Sehr oft werden sie jedoch mit bürokratischen Hürden konfrontiert. Das Einreichen öffentlicher Urkunden ist oft zeitaufwendig und kostenintensiv. Am Donnerstag (12.11.) hat der Rechtsausschuss die Vereinbarung mit dem Ministerrat zur Vereinfachung der Annahme bestimmter öffentlicher Urkunden gebilligt. Die Berichterstatterin Mady Delvaux (S&D) aus Luxemburg erklärt das neue Verfahren.
Wie werden die EU-Bürger und Unternehmen von den neuen Bestimmungen profitieren?
Ein EU-Bürger, der in einen anderen EU-Mitgliedstaat umzieht, muss für bestimmte Urkunden, für die die Verordnung gilt, nicht länger eine Echtheitsbestätigung (Apostille) vorweisen. In zwei Jahren wird die EU-Kommission einen Bericht vorlegen, der den Bedürfnissen der Unternehmen entgegenkommen soll.
Werden alle Urkunden ohne Echtheitsbestätigung akzeptiert werden?
Nur die in der Verordnung erwähnten Urkunden. Dazu zählen öffentliche Urkunden, die formelle Beweiskraft besitzen bezüglich Eheschlieβung, eingetragener Partnerschaft, Geburt, Tod, Abstammung, Wohnsitz und Vorstrafenfreiheit. Die Überprüfungsklausel erlaubt uns jedoch, in der Zukunft diese Bestimmungen auch auf andere Bereiche wie Unternehmertum, Behinderung und Bildung auszuweiten.
Eine Behörde fordert einen EU-Bürger dazu auf, eine beglaubigte Übersetzung vorzulegen. Wer wird die Kosten übernehmen?
Die Verordnung führt mehrsprachige Formulare ein, um den Übersetzungsaufwand zu verringern. Für diese Urkunden ist keine Übersetzung mehr erforderlich. Die Kosten des Formulars werden seine Produktionskosten oder die Kosten der öffentlichen Urkunde, der das Formular beigefügt wird, nicht überschreiten.
Wird für beispielsweise eine Geburtsurkunde eine einfache Kopie anstelle einer beglaubigten Kopie inklusive Übersetzung angenommen werden? Wie können die Behörden sichergehen, dass die Kopie echt ist?
Einfache Kopien werden nicht akzeptiert werden. Die Kopien müssen beglaubigt sein. Bürger können hingegen um ein mehrsprachiges Formular ansuchen, das der Bescheinigung beigefügt wird. Weder eine Apostille noch eine beglaubigte Übersetzung sind somit erforderlich. Zweifelt die zuständige Behörde an der Echtheit der Urkunde, so kann diese über das Binnenmarkt-Informationssystem überprüft werden.
Was geschieht, wenn ein Paar eine gesetzlich anerkannte Partnerschaft eingeht und in einen anderen Mitgliedstaat zieht, in dem diese Form der Partnerschaft nicht anerkannt wird? Wird die Urkunde akzeptiert?
Die Verordnung bezieht sich auf die Form der Urkunde. Die Anerkennung ihres Inhalts wird nicht geregelt. Zieht zum Beispiel ein gleichgeschlechtliches Paar in einer gesetzlich anerkannten Partnerschaft in einen anderen Mitgliedstaat, in dem diese Form der Partnerschaft nicht anerkannt wird, so kann das Paar die Partnerschaft nachweisen. Es erhält dadurch jedoch keine Rechte, die in dem Mitgliedstaat nicht gewährt werden.
Ein Bürger entscheidet sich, an einer Universität in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu studieren. Werden Schulzeugnisse und Diplome automatisch anerkannt?
Das war eine Priorität des EU-Parlaments. Der Ministerrat hat dieses Anliegen jedoch weniger unterstützt. Die EU-Kommission wird nun untersuchen, ob die Verordnung auch auf diese Urkunden ausgeweitet werden soll.
Welche Position hat das EU-Parlament in den Verhandlungen mit dem Ministerrat vertreten? Welche Punkte waren für das Parlament besonders wichtig?
Wir haben uns vor allem für die Interessen der Bürger stark gemacht, bei der Begrenzung der Kosten für Übersetzungen und hinsichtlich der Informationspflicht. Trotz des Widerstands eines Teils des Ministerrats verweist die Überprüfungsklausel auf die Bereiche, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die Verordnung aufgenommen werden konnten. Die Verordnung ist ein erster Schritt in einem langen Prozess. Das langfristige Ziel ist die Schaffung gemeinsamer EU-Urkunden.